Käferclub Obergrafendorf

Sonderkarosserien

Auf Basis des Volkswagen Käfers entwarfen Karosseriefachbetriebe immer wieder interessante Fahrzeuge: Coupés, Cabriolets, Roadsters oder gar Nutzfahrzeuge. Nachfolgend findest Du eine Auswahl an solchen Fahrzeugen.

Eigentlich war da nur der Käfer
Volkswagen in Wolfsburg Anfang der 50er Jahre: Von den Bändern läuft der Käfer – nichts als der Käfer und dessen Derivat für Gewerbetreibende, der Transporter (gebaut ab 8. März 1950 – sechs Jahre später Produktionsverlagerung des Transporters nach Hannover). Zwei Pkw-Varianten stehen den Kunden zur Wahl: Limousine Standard und Limousine Export. Ein Faltschiebedach kann ab 1950 als Extra geordert werden – es kostet 250 DM Aufpreis. Die legendäre Blumenvase am Armaturenbrett, für den New Beetle ein knappes halbes Jahrhundert später wiederentdeckt, gilt Volkswagen-Fahrern als Gipfel des Luxus.

Doch wer statt der vernünftigen Limousine etwas ganz Besonderes, etwas Eleganteres oder gar Schnelleres von Volkswagen haben möchte, der beisst bei VW-Direktor Heinrich Nordhoff und somit bei der VW-Händlerschaft auf Granit – zunächst jedenfalls. Denn nur die von Karmann in Osnabrück und Hebmüller in Wülfrath bei Wuppertal Ende der 40er Jahre konzipierten Offen-Käfer fanden nach eingehender Prüfung Gnade vor den Augen der VW-Ingenieure um Dr. Haesner und deren oberstem Vorgesetzten. Karmann hatte ihnen ein viersitziges, sogenanntes Cabriolet B mit dick wattiertem Verdeck vorgeführt, Hebmüller eine zweisitzige Alternative mit knapp geschnittener Kapuze (Cabriolet A).

Käfer-Cabrios von Karmann und Hebmüller

Während das Karmann-Cabrio ab dem 3. Juni 1949 bis zum 10. Januar 1980 mit insgesamt 332'000 Exemplaren zum in dieser Zeit meistgebauten Cabriolet der Welt avancieren sollte, endete die Karriere des rassigen Hebmüller-Zweisitzers tragisch. Von einem verheerenden Brand, der am 23. Juli 1949 um 10 Uhr ausbrach und wegen Wassermangels nicht gelöscht werden konnte, erholte sich der alteingesessene Wülfrather Karosseriebauer nie mehr: Als 1952 bei Hebmüller der Konkursverwalter die Regie übernahm, waren gerade 696 Exemplare fertig gestellt.
Die Rolle der sportlich-eleganten Hebmüller-Version sollte später der Karmann-Ghia übernehmen. 1953 überraschte Wilhelm Karmann im Oktober 1953 Heinrich Nordhoff auf dem Pariser Salon mit einer geheimen Studie.
Beispiel

Volkswagen-Coupé von Ghia und Karmann
Entworfen hat das Zweisitzer-Coupé der Italiener Luigi Segre, bis zu seinem Tode 1963 Chefstilist und Produktionsleiter der Turiner Ghia S.p.A. Segre schuf in den 50er Jahren einen sehr Ghia-charakteristischen Design-Stil, indem er seine rundlichen, opulenten Karosseriekörper mit sehr zierlichen, lichtdurchfluteten Dachpartien krönte. Zur Reinkultur entwickelt gibt dieser Stil dem von Karmann am 14. Juli 1955 in Serienversion präsentierten Karmann-Ghia das typische Gepräge: schnittig, verspielt – eine rollende Antithese zur Ernsthaftigkeit des Käfer, der ihm Bodengruppe und gesamte Technik lieh.
Der Karmann-Ghia, 1957 um eine Cabriolet-Version ergänzt, erhielt wie das Käfer-Cabriolet den Ritterschlag eines vollwertigen Volkswagen-Familienmitglieds. Anderen Spezial-Versionen und ihren Schöpfern erging es weniger gut: Heinrich Nordhoff versagte ihnen die Lieferung blosser Bodengruppen ohne Karosserie und begründete dies 1954 in einer Pressekonferenz mit den Worten „...wir sind eine Automobilfabrik und keine Chassisfabrik. Wir wollen es in der Hand behalten, wie der Wagen aussieht, der unseren Namen trägt.“ Trotzdem entstanden auf dem dafür bestens geeigneten Plattformrahmen des Käfer auch ohne den Segen Nordhoffs immer wieder luxuriöse Geschöpfe – Coupés und Cabriolets, die im Wirtschaftswunderland Deutschland und andernorts wohlhabende Käufer fanden. Denn manch einer wollte bei aller geforderten Noblesse das Robuste und Anspruchslose des Käfer nicht missen. Diese Individualisten nahmen in Kauf, zunächst einmal einen kompletten Volkswagen erwerben zu müssen, ehe der beauftragte Karosserieschneider sein Werk mit der Demontage des Käfer-Aufbaus beginnen konnte.
Beispiel

Spezialitäten von Dannenhauer & Stauss
Gottfried Dannenhauer und sein Schwiegersohn Kurt Stauss in Stuttgart zählten dazu. Dannenhauer hatte erste Karosseriebau- und Volkswagen-
Erfahrungen bereits vor dem Zweiten Weltkrieg gesammelt, als er bei den Stuttgarter Reutter Karosseriewerken 1938 mithalf, Karosserien für die
Käfer-Vorserie VW 38 zu bauen. Mit der Karosseriegestaltung seines Spezial-Volkswagens betraute das Stuttgarter Gespann zwei Schüler des renommierten Aerodynamikers Dr. Wunibald Kamm, der an der Stuttgarter Uni lehrte – beste Voraussetzung also für gute Windschlüpfigkeit und damit gute Fahrleistungen.


Alle Dannenhauer & Stauss-Karosserien entstanden ab 1951 in überwiegender Handarbeit unter Verwendung hölzerner Klopfformen. Lediglich die Türen und Hauben erhielten in Pressen ihre Gestalt. Die geringe Höhe der sportlichen Spezial-Volkswagen erforderte natürlich auch eigens gefertigte Sitze, meist mit edlem Leder bezogen und damit den luxuriösen Anspruch unterstreichend. Unverändert beliessen D & S bei der Mehrzahl ihrer Geschöpfe die Käfer-Technik – oft pflegten jedoch stolze Besitzer nachträglich grösseres Feuer zu entfachen: mit Hilfe eines Porsche 356-Triebwerkes etwa, oder mit einem leistungsgesteigerten Okrasa-Motor von PS-Zauberer Gerhard Oettinger.

Damit wurde aus einem teuren Spass wahrhaftiger Luxus. Denn allein die Karosserie aus Stuttgart kostete 1951 mit DM 4'250 fast so viel wie ein kompletter Käfer Standard aus Wolfsburg (DM 4'600) – die Kosten für die Bodengruppe und komplette Technik mussten jedoch noch addiert werden. Für ihren letzten VW-Flitzer berechneten Dannenhauer & Stauss anno 1957 die stolze Komplettsumme von DM 8.742. Der in grösserer Serie gebaute Karmann-Ghia – damaliger Preis für das Cabrio: DM 8.250 – bedeutete das D & S-Ende. Heute weiss niemand mehr ganz genau, wie viele Dannhauer & Stauss Volkswagen in den Jahren 1951 bis 1957 entstanden: Schätzungen schwanken zwischen deren 80 bis 135, von denen, so weit bekannt, weltweit 16 bis heute überlebten.
Beispiel

Rometsch Coupé und Cabrio

Auch Rometsch senior konnte auf Erfahrungen in einem renommierten Karosserie-Unternehmen bauen: Er hatte seinen Beruf beim Berliner Edelcouturier


Erdmann & Rossi erlernt, wo in den 20er und 30er Jahren wahre Prunkstücke zum Beispiel auf Mercedes Kompressor-, Bugatti- oder Horch-Chassis entstanden. Rometsch-Hausdesigner Johannes Beeskow kam gleichfalls von Erdmann & Rossi und war damit vertraut mit den Wünschen besonders anspruchsvoller Kunden.

Kein Wunder, dass sich spontan Prominenz für den Luxusliner von Rometsch interessierte, als er anno 1950 auf der Automobilausstellung in Berlin sein Debüt gab. So zählte der Schauspieler Victor de Kowa zu den ersten, die stolze DM 8.900 für den Volkswagen im Aluminium-Frack locker machten. Später gesellten sich in den USA Gregory Peck und Audrey Hepburn hinzu – ausgesprochen vorteilhaft für den Absatz des von Berliner Schnauzen wegen der gekrümmten Rometsch-Gürtellinie „Banane“ getauften Luxus-Vehikels: 585 Sonderkarosserien entstanden bei Rometsch in den Jahren 1950 bis 1961, ab 1957 in völlig neuer, sichtbar amerikanisierter Form.

Dem neuen Rometsch verlieh der Berliner Designer Bert Lawrence Heckflossen, Panorama-Windschutzscheibe – und unter Enthusiasten zur Unterscheidung von der Beeskow-Version auch den Zusatznamen: Diese späten Coupés und Cabrios werden „Rometsch Lawrence“ genannt.
Beispiel

Drews Cabrio

Das von den Gebrüdern Drews in Wuppertal-Oberbarmen gebaute Sportcabriolet mit aus Aluminium handgedengelter, auf einen Rohrrahmen aufgesetzter Karosserie entstand in den Jahren 1949 bis 1951 nur rund 150mal. Rund 1'000 Arbeitsstunden waren vonnöten, um ein einziges Drews-Cabriolet auf die Räder zu stellen – und viel Geld, nämlich mindestens DM 10'000, um eines zu erwerben. Zum Vergleich: Ein Porsche 356/1100 oder ein Mercedes-Benz 170 S kostete die gleiche Summe...
Beispiel

Beutler
Sogar noch teurer als ein zeitgenössischer Porsche geriet der Spezial Volkswagen mit Aluminium-Karosserie, den die Gebrüder Fritz und Ernst Beutler 1957 in Thun fertigten: 14'950 Schweizer Franken kostete schon das Basismodell mit Volkswagen-Technik (1192 ccm/30 PS). Doch auf Wunsch des Kunden ging es auch anders: Mit Porsche-Komponenten. Sa auch das abgebildete Modell. Unter seiner Heckhaube tönt ein 75 PS-Triebwerk aus dem Porsche 356 A 1600 Super (damaliger Aufpreis: SFr 3'600), verzögert wird mit einer Porsche-Bremsanlage (damaliger Aufpreis: SFr 1'200). So gerüstet kann gefahrlos die Höchstgeschwindigkeit von über 160 km/h ausgelotet werden – und das sogar mit drei Passagieren an Bord. Denn die Gebrüder Beutler suchten gezielt die Lücke zwischen Volkswagen und Porsche: (fast) so geräumig und praktisch wie ein Käfer, (fast) so flink wie ein Porsche – und dabei so individuell in der Form wie zeitgenössische Exoten.
Beispiel

Ghia-Aigle
Ähnliche Ziele wie Beutler verfolgte die Carrozzeria Ghia-Aigle in Lugano mit ihrem rasanten 2+2-sitzigen Coupé auf Volkswagen-Basis, das zum Debüt im Sommer 1957 dem deutschen Fachblatt „Das Auto, Motor und Sport“ (heute „auto motor und sport“) immerhin eine Aufmacherseite wert war. „Es handelt sich um eine Aluminiumkonstruktion auf Stahlgerippe“, heisst es da, „das Armaturenbrett ist gepolstert und der Motor besitzt einen MAG-Kompressor, wodurch die Höchstgeschwindigkeit des Wagens über 150 km/h betragen soll.“ Mit prognostizierten „rund 15'000 Schweizer Franken“ war das wahrscheinlich von Pietro Frua gezeichnete Spielzeug zwar preisgünstiger als die Konkurrenz aus Thun, aber gleichwohl ähnlich erfolglos an der Verkaufsfront.

Konnte Beutler vermutlich rund sechs seiner Volkswagen-Extravaganzen absetzen, so gelang dies dem Schweizer Ghia-Lizenznehmer Ghia-Aigle in mindestens einem Fall.
Beispiel

Nobel-Coupé von Stoll
1952 von einem Rechtsanwalt bei Karosseriebau Stoll (heute Ackermann/Fruehauf in Wolfshagen bei Kassel) in Auftrag gegeben, ging das ungewöhnliche viersitzige Coupé in den kommenden Jahrzehnten durch viele Hände, um Anfang der 90er Jahre von einem Engländer liebevoll restauriert zu werden. Heute zählt es zum Bestand des ZeitHaus der Autostadt Wolfsburg.
Diese Pretiosen sind der rollende Beweis dafür, dass für manchen Luxus schon damals mehr war als bloss ein Faltschiebedach oder eine Blumenvase am Armaturenbrett.
Beispiel

Puma
In den 1950er- und 1960er-Jahren versuchte Brasilien intensiv, den Anschluss an die westlichen Industrienationen zu gewinnen. Um dieses Ziel zu erreichen, wurden Kooperationen mit großen Automobilherstellern eingegangen, unter anderem mit Volkswagen. Setze man anfangs noch auf DKW, so fiel 1968 die Entscheidung, nur noch mit VW-Technik zu produzieren. Ab Oktober 1969 entstand auf Basis des Puma GT 1600 ein 2+2-sitziges Coupé unter der Typenbezeichnung GT 4 R. Außerdem kam unter der Typenbezeichnung GTS ab 1971 sogar eine sehr begrenzte Stückzahl von Cabriolets auf den Markt.
Einen wesentlichen Schub für die Produktionszahlen erbrachte die ab 1970 aufgenommene Exporttätigkeit. Etliche Pumas kamen als so genannte Kitcars in die USA, als Fertigfahrzeuge nach Kanada und Südafrika. Einige wenige Fahrzeuge erreichten auch Australien und den europäischen Markt. Weltweit blieben Pumas jedoch Exoten. Die in die USA exportierten Fahrzeuge mussten aufgrund von US-Importbestimmungen in Teilen geliefert werden: Karosserie, Achsen, Motor und Räder durften nur als einzelne Baugruppen voneinander getrennt eingeführt werden. Viele Importeure ließen nur die Karosserien aus Brasilien kommen und komplettierten die Fahrzeuge mit VW- oder Fremdteilen vom US-Markt.
Ein kurioses Kapitel der Automarke Puma wurde in Südafrika geschrieben. Ab 1973 erfolgte auf Initiative eines südafrikanischen Geschäftsmanns eine Lizenzfertigung in Durban. Diese erforderte allerdings einigen technischen Aufwand und enthusiastischen Einsatz. Der Puma wurde in Brasilien auf Basis des VW Karmann Ghia produziert, und Volkswagen lieferte die dafür benötigten Teile ohne weitere Auflagen. Für Südafrika ergab sich eine andere Situation: Der Karmann Ghia war dort nicht erhältlich, daher war auch keine Teileversorgung durch Volkswagen möglich. Deshalb fertigte man in Brasilien ein paar rechtsgelenkte Prototypen auf Basis des VW Käfer als Baumuster für die Südafrikaner. Damit glaubte man alle Probleme gelöst zu haben. In Südafrika aber weigerte sich der Großserienhersteller Volkswagen, die benötigten Teile einzeln an die frisch gegründete Bromer Motor Assemblies zu liefern. So sah sich die kleine Fabrik in der Ortschaft New Germany nahe Durban gezwungen, komplette VW Käfer zu kaufen und die benötigten Teile auszubauen. Der Rest wurde weiterverkauft oder, falls das nicht glückte, verschrottet.
Beispiel

Thomas Braun, Historiker und agiler Coach, wurde für seine Enzyklopädie über Volkswagen-Fahrzeuge mit demNicholas-Joseph Cugnot Award ausgezeichnet. In den letzten vier Jahren sammelte er riesige Datenmengen und fasste diese zu einer mittlerweile weltweit einzigartigen Enzyklopädie mit dem Titel "Durchgeboxt" zusammen. In Paris beim Bankett der Society of Automotive Historians, Inc. (SAH) in den Räumen des ehrwürdigen ACF - Automobile Club De France (der älteste Automobilclub der Welt, gegründet 1895), wurde Thomas Braun mit dem "Nicholas-Joseph Cugnot Award of Distinction for a book of particular merit in a other than English" ausgezeichnet.